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So entdeckte ich die Soonwaldwichtel…

Auf vielen Wanderungen durch die unterschiedlichsten Abschnitte des Naturparks Soonwald-Nahe hatte ich immer wieder Spuren entdeckt, die ich keinem mir bekannten Tier zuordnen konnte. Kleine, höhlenartige Öffnungen zwischen Baumwurzeln und Steinen gaben mir Rätsel auf.

Vor einigen Jahren führte mich einer meiner Streifzüge auch in die Nähe des Naturschutzgebietes „Schwabbelbruch“. Ich war schon lange unterwegs gewesen und beschloss, eine Rast einzulegen. Am Fuße einer mächtigen, alten Eiche setzte ich mich nieder, lehnte mich mit dem Rücken an den knorrigen Stamm und schloss die Augen.

Als ich wieder aufwachte, zogen gerade zwei dicke Weinbergschnecken in beachtlichem Tempo an meinen ausgestreckten Füßen vorbei. Mir schien, als ob sich hauchdünne Risse über ihre Schneckenhäuser zogen. Ich kniete mich hin, um mir diese beiden ungewöhnlichen Mobilheime näher zu betrachten, als mich etwas heftig in den Rücken stieß. Erschrocken fuhr ich herum und traute meinen Augen nicht. Vor mir stand ein etwa 15 cm großes Weiblein mit einer roten Zipfelmütze, unter der zwei dicke, graue Zöpfe hervor schauten.

Zipfelmütze? Zöpfe? Träumte ich etwa noch? Ich rieb mir die Augen, beugte mich vorsichtig etwas näher zu dem Wesen hinunter, das mich wütend anfeixte: „Was ist los? Erst versperrst du die Tür zu meiner Vorratskammer und jetzt guckst du mich blöde an! Pass bloß auf die Schnecken auf, denen habe ich gerade die Häuser repariert. Sind gestern beim Schneckenrennen aus der Bahn geflogen.“

Ich musste wirklich träumen. „Ja, was ist jetzt?“, schimpfte sie wieder los, „Willst du dich nicht einmal vorstellen? Glaubst du ich hab den ganzen Tag Zeit?“

„Ich heiße Annette“, stellte ich mich schüchtern vor.

„Und was willst du hier in meinem Wald? Müll abladen, Blumen ausreißen, oder etwa Bäume kuscheln?“

„Ich sammle Kräuter“, stammelte ich.

„Aha, sammelt Kräuter. Und hat wahrscheinlich noch nie eine Wichtelfrau gesehen. Setz dich mal hin, damit ich dich aus der Nähe ansehen kann.“

Vorsichtig setzte ich mich wieder hin. Das kleine Weiblein musterte mich eine ganze Weile. „Ich bin Alchemilla, die Heilerin. Weißt du, wir Wichtel zeigen uns den Menschen nicht so gerne, aber ich glaube, du bist ganz in Ordnung. Ich erzähl dir mal ein bißchen von uns.“ Dann kletterte sie auf meinen Schoß und berichtete mir vom Leben der Soonwaldwichtel.

Irgendwann bin ich wohl eingeschlafen. Als ich erwachte, lag auf meinem Schoß ein Frauenmantelblatt, Alchemilla war verschwunden. Doch an die Geschichten, die sie mir erzählt hat, kann ich mich bis zum heutigen Tag genau erinnern….